đ Am-Ball-Bleiben - Issue #83 - Reading Digest von AndrĂ© Cramer
Hallo zusammen! Willkommen zur Jahresend-Ausgabe meines Newsletters! Hier geht es vor allem um die BĂŒcher, die ich seit der Sommerpause gelesen habe (und welche ich als nĂ€chstes lesen möchte). Und ich habe auch noch ein paar neue Tipps in Punkto Podcast-Empfehlungen. Und ein paar gute News (zum Jahresende keine schlechten...), aber doch auch etwas dazu, was mich bewegt (und da gibt es nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen). Vielleicht ist was fĂŒr Euch dabei.
ï»żUnd jetzt wĂŒnsche ich Euch viel SpaĂ beim Lesen. Ich verabschiede mich in eine kleine Winterpause. Der Januar verspricht ein sehr arbeitsreicher zu werden. Deshalb kann es sein, dass wir uns erst wieder im Februar an dieser Stelle wieder treffen. Merry Christmas, und bleibt gesund!
Der Newsletter wurde Dir weitergeleitet?
âĄïžÂ Dann kannst Du Dich jederzeit hier anmelden.
Dir gefÀllt mein Newsletter richtig gut?
âĄïžÂ Dann hilf bitte bei âspread the wordâ und leite ihn gerne an Freund*innen, Bekannte, Kolleg*innen weiter. đ€Â Ich wĂ€re Dir sehr dankbar! đđ
Meine BĂŒcher im 2. Halbjahr
Klappentext:
Eine starke Geschichte kann die Welt retten - oder sie zerstören. Sie kann Wahlen entscheiden, Menschenleben retten, aber auch Kriege auslösen und Ungerechtigkeit zementieren. Samira El Ouassil und Friedemann Karig verfolgen diese ambivalente Wirkungsmacht anhand wichtiger Narrative von der Antike bis zur Gegenwart. Und sie zeigen, welche ErzĂ€hlungen uns heute gefĂ€hrden und warum wir neue benötigen. Wie gelingt es, den Klimawandel so zu erzĂ€hlen, dass er zum Handeln drĂ€ngt? Aus welchen Ăberlegenheitsmythen entstehen Rassismus und Antisemitismus?
ErzĂ€hlende Affen von Samira El Ouassil und Friedemann Karig habe ich in diesem Jahr lang ersehnt. Ich schrieb auch schon darĂŒber hier im Newsletter. Es geht um ein Thema, welches meiner Meinung nach eines der wichtigsten ist, das uns beschĂ€ftigt und beschĂ€ftigen sollte. NĂ€mlich Kommunikation, bzw. das GeschichtenerzĂ€hlen. Insbesondere erklĂ€ren die beiden Autor*innen den Mechanismus des faschistischen Narrativs, welches die âgoldene Vergangenheitâ als Lösung fĂŒr die Gegenwart heraufbeschwört. WĂ€re hĂ€tte gedacht, dass dies in der heutigen Zeit wieder hochaktuell sein wĂŒrde. Aber es ist so. Populismus und der Wunsch nach autoritĂ€rer Herrschaft scheinen bei stramm 10% der Bevölkerung (im Osten mancherorts wohl eher 20 bis 30%) zu verfangen. Was wĂ€hrend meiner Schulzeit noch abstrakt in SchulbĂŒchern stand, kann ich heute in sozialen Medien, schmuddeligen rechtsextremen Publikationen, und leider auch im Parlament live verfolgen.El Ouassil und Karig entlarven die Radikalisierungsstrategien der Rechten sowie die Fiktionen der groĂen LĂŒgner von Hitler bis Trump. Sie gehen der langen Geschichte des Antisemitismus bis auf seinen GrĂŒndungsmythos im zwölften Jahrhundert nach. Sie machen verstĂ€ndlich, wie das Narrativ einer sexuellen Verknappung die Grundlage schafft fĂŒr Frauenhass. Am Ende wagen sie sich an die groĂen aktuellen Krisen heran. Klimawandel und Pandemie, welche mit unseren bekannten ErzĂ€hlstrategien gar nicht mehr richtig zu erfassen sind. Dazu gibt es noch unendlich viele Verweise auf sehenswerte Filme, Literatur, Serien und kluge BĂŒcher â alleine deshalb stellt das Buch ein wertvolles Nachschlagewerk dar.
Besonders interessant: Die beiden stellen heraus, dass wir alle falsche und destruktive Mechanismen besser durchdringen könnten, wenn wir im Allgemeinen bessere Kenntnisse in Mathematik hĂ€tten. Das gelte nicht nur fĂŒr ökonomische ZusammenhĂ€nge. Auch eine Pandemie wie Corona sei in ihren Auswirkungen ohne ein VerstĂ€ndnis fĂŒr exponentielles Wachstum gar nicht erfassbar, die passende ErzĂ€hlung nicht erzĂ€hlbar oder auch nicht zu verstehen.
Unbedingt lesen!
Klappentext:
Der Circle ist die gröĂte Suchmaschine gepaart mit dem gröĂten Social-Media-Anbieter der Welt. Eine Fusion mit dem erfolgreichsten Onlineversandhaus brachte das reichste und gefĂ€hrlichste - und seltsamerweise auch beliebteste - Monopol aller Zeiten hervor: Every. Delaney Wells ist "die Neue" bei Every und nicht gerade das, was man erwarten wĂŒrde in einem Tech-Unternehmen. Als ehemalige Försterin und unerschĂŒtterliche Technikskeptikerin bahnt sie sich heimlich ihren Weg, mit nur einem Ziel vor Augen: die Firma von innen heraus zu zerschlagen. Zusammen mit ihrem Kollegen, dem nicht gerade ehrgeizigen Wes Kavakian, sucht sie nach den Schwachstellen von Every und hofft, die Menschheit von der allumfassenden Ăberwachung und der emojigesteuerten Infantilisierung zu befreien. Aber will die Menschheit ĂŒberhaupt, wofĂŒr Delaney kĂ€mpft? Will die Menschheit wirklich frei sein?
In seinem ersten Buch "The Circle" entwarf David Eggers eine satirisch-dĂŒstere Zukunftsvision, in der ein kalifornisches Unternehmen die Gesellschaft in ein Kontrollregime umbaute. Jetzt hat er diese Fortsetzung geschrieben â âThe Everyâ â und diesmal gehen die Machthaber im Silicon Valley sogar noch einen Schritt weiter. Die Freiheit selbst wird zur SĂŒnde. Der Every-Konzern will seine Monopolstellung ausnutzen und den freien Markt abwickeln, wie ein egoistisches Auslaufmodell, welches sich ĂŒberlebt hat. Wenn es in Zukunft statt zweihundert Sorten Senf nur noch eine Sorte gibt, argumentieren sie, ist dem Menschen ebenso geholfen wie der Umwelt. Eggers entwirft eine spekulative politische Ăkonomie und lĂ€sst hier die wichtigsten Gegenwartsdiskurse aufeinanderprallen: Sind Silicon-Valley-Unternehmen böse oder woke? Und wie weit kann man den Wokeness-Regler aufdrehen, bis es böse wird? In der Art wie hier ein kalifornischer Plattform-Monopolist die zentralisierte Planwirtschaft einfĂŒhrt, dessen Kontrolle weit bis in unsere Sprache und das Reisen hineinreicht, fragt man sich schnell, wo dann noch der Unterschied zur DDR liegt. Interessanterweise spielt auch ein Charakter, welcher in der DDR aufgewachsen ist, eine Rolle und erlaubt auf diese Weise besonders einfach, diese Parallelen zu ziehen. The Every fand ich sehr unterhaltsam. Das Buch ist eine gelungene Fortschreibung von Entwicklungen, die sich heute bereits sehr, sehr deutlich abzeichnen. Es ist eine Dystopie, die uns nachdenklich machen sollte. Wir brauchen weniger Macht fĂŒr Konzerne, und mehr in den HĂ€nden der Menschen, in den HĂ€nden der Demokratie.
Klappentext:
Zum Ende ihrer Amtszeit hat Angela Merkel ihre wohl gröĂte Herausforderung zu bestehen. Doch die Kanzlerin, die in Notsituationen oft zur Hochform aufgelaufen ist, gerĂ€t in dieser Krise an die Grenzen ihrer AutoritĂ€t. Die Pandemie, so Robin Alexander, ist dabei nur ein weiteres, spektakulĂ€res Kapitel in einem noch gröĂeren Drama: dem Ende einer ganzen Ăra. In seinem neuen Buch erzĂ€hlt Alexander die Geschichte hinter den Kulissen: vom harten, langen Kampf in den inneren Machtzirkeln der Republik und vom Showdown um Merkels Nachfolge, der die Union fast zerreiĂt.
Dies ist das erste Buch welches ich ĂŒber aktuelles, konkretes Politikgeschehen gelesen habe. In meinen Augen ist "Machtverfall" ein gut geschriebenes KabinettstĂŒck mit interessanten und unterhaltsamen Einblicken in den Politikbetrieb der letzten 16 Jahre. Robin Alexander nutzt das dramaturgische Prinzip der Rekonstruktion, um das Finale von Angela Merkels Kanzlerschaft zu erzĂ€hlen. Es ist sicherlich legitim zu fragen, was davon alles wirklich aus erster oder sehr naher Quelle stammt, und was möglicherweise wohlwollend oder auch mit dĂŒsteren Absichten fabriziert und ausgemalt wurde. FĂŒr mich war es ein wirklich unterhaltsamer Einblick in den Politikbetrieb, den man als NormalbĂŒrger wohl nur durch solche BĂŒcher bekommt. Wen Durchtriebenheit, Verrat und Indiskretion nicht schrecken in solch einem Kontext, hat sicherlich sein VergnĂŒgen hierbei.
Klappentext:
In her mid-twenties, at the height of tech industry idealism, Anna Wiener - stuck, broke, and looking for meaning in her work, like any good millennial - left a job in book publishing for the promise of the new digital economy. She moved from New York to San Francisco, where she landed at a big-data startup in the heart of the Silicon Valley bubble: a world of surreal extravagance, dubious success, and fresh-faced entrepreneurs hell-bent on domination, glory, and, of course, progress. Anna arrived amidst a massive cultural shift, as the tech industry rapidly transformed into a locus of wealth and power rivaling Wall Street. But amid the company ski vacations and in-office speakeasies, boyish camaraderie and ride-or-die corporate fealty, a new Silicon Valley began to emerge: one in far over its head, one that enriched itself at the expense of the idyllic future it claimed to be building. Part coming-of-age-story, part portrait of an already-bygone era, Anna Wiener's memoir is a rare first-person glimpse into high-flying, reckless startup culture at a time of unchecked ambition, unregulated surveillance, wild fortune, and accelerating political power. With wit, candor, and heart, Anna deftly charts the tech industry's shift from self-appointed world savior to democracy-endangering liability, alongside a personal narrative of aspiration, ambivalence, and disillusionment. Unsparing and incisive, Uncanny Valley is a cautionary tale, and a revelatory interrogation of a world reckoning with consequences its unwitting designers are only beginning to understand.
Dieses Buch von Anna Wiener habe ich in besonderem MaĂe genossen. Uncanny Valley dreht sich um ein Leidenschaftsthema von mir: dem kritischen Blick auf die Kultur und Machtstrukturen der Technologiebranche, insbesondere die PrĂ€gung der US-WestkĂŒste. Wiener, die selbst eine sehr authentische Erfahrung im Silicon Valley gemacht hat, spricht hier in mir genau das an, was mich meine eigenen Zelte in der Bay Area in 2009 hat abbrechen lassen. Damals nahm vor allem das rasante Wachstum des Mobile Internet erst richtig fahrt auf. Und ich fand es vorher schon kaum zu ertragen, was in dieser Gegend, der schönsten in der ich je gelebt habe, von Menschen als "Tech-Kultur" geschaffen wurde. Wieners Buch ist hierfĂŒr ein genauer, erhellender Bericht ĂŒber Sexismus, Geld - und Einfalt. Es gilt als eines der schlausten und eindrucksvollsten BĂŒcher, die in den vergangenen Jahren ĂŒber das Silicon Valley erschienen sind. Was ich mag: Es hat keine These und will erst recht nichts aufdecken. Wieners erzĂ€hlerisches Projekt ist ein anderes: sie versucht auf fast protokollarische Weise aus dem seltsamen Zufall schlau zu werden, dass sie Zeitzeugin der digitalen Revolution war. Und weil sie keine Indizien sammelt, sondern Beobachtungen, ist sie in erster Linie mit WidersprĂŒchen konfrontiert. Was sind diese WidersprĂŒche, was ist das, was das Valley "uncanny" macht? Es ist zum einen die absurde Machtkonzentration in den HĂ€nden weiĂer, amerikanischer MĂ€nner in ihren Zwanzigern. Zum anderen die offensichtliche Einfalt dieser MĂ€nner, wenn es um GesellschaftsentwĂŒrfe geht (alles geht von der PrĂ€misse aus, dass das erste Interesse von uns Menschen darin bestĂŒnde, unsere individuelle ProduktivitĂ€t und Effizienz zu maximieren). Und schlieĂlich ist es die Verwandlung, die Wiener selbst wĂ€hrend ihrer Zeit dort durchlĂ€uft.
Wem es am Herzen liegt, wo und durch wen unsere Zukunft gestaltet wird, der/die findet hier einen sehr wertvollen kritischen DenkanstoĂ.
Klappentext:
Chinas Aufstieg fasziniert die Welt â und lehrt sie das FĂŒrchten. Unter Parteichef Xi Jinping erlebt das Land einen RĂŒckfall in die Diktatur. Gleichzeitig dehnt es seinen globalen Einfluss immer weiter aus. Nicht nur in Amerika, auch in Europa wĂ€chst das Unbehagen an der neuen Weltmacht und an ihren Methoden. Droht ein neuer kalter Krieg oder sogar ein chinesischer Triumph ĂŒber den Westen? Zeit-Korrespondent Matthias NaĂ gibt einen spannenden Einblick in das Land, das sich anschickt, zur FĂŒhrungsmacht des 21. Jahrhunderts zu werden. Pekings Machthaber perfektionieren die Ăberwachung ihrer Bevölkerung und errichten ein System aus Belohnungen und Strafen, mit dem sie regimekonformes Verhalten durchsetzen. Minderheiten wie die Uiguren werden brutal verfolgt und in Lagern «umerzogen». In Hongkong soll die Opposition zum Schweigen gebracht werden, wĂ€hrend im sĂŒdchinesischen Meer Chinas militĂ€rische PrĂ€senz zielstrebig ausgebaut wird. Mit dem Riesenprojekt der «Neuen SeidenstraĂe» schafft China neue AbhĂ€ngigkeiten im Mittleren Osten, Afrika und in Europa. Doch es gibt auch Probleme. Manches spricht dafĂŒr, dass China diesen Expansionskurs weder ökonomisch noch politisch auf Dauer durchhalten kann. Massive Umweltprobleme kommen hinzu. Und die Corona Krise hat vielen westlichen LĂ€ndern gezeigt, dass die AbhĂ€ngigkeit von China ein kritisches AusmaĂ erreicht hat. Matthias NaĂ kennt China so gut wie nur wenige andere und zieht in diesem Buch eine ebenso sachlich fundierte wie fesselnde Bilanz.  Â
Hier geht es um ein weiteres Leidenschaftsthema von mir: um den kritischen Blick auf China. Matthias NaĂ, ein China-Kenner, weil langjĂ€hriger Korrespondent der Wochenzeitung Die Zeit fĂŒr den ostasiatischen Raum, beschreibt in Drachentanz eindrucksvoll das repressive System Chinas. Was NaĂ im Verlauf seiner journalistischen Arbeit beobachtet, erfahren oder kenntnisreich kommentiert hat â ein Gutteil davon ist hier wieder zu lesen. Nicht bloĂ in den Abschnitten ĂŒber die Uiguren-Verfolgung und den elektronisch perfektionierten Ăberwachungsstaat beschreibt er Aspekte des repressiven Systems, sondern dieses Thema zieht sich durch das ganze Buch hinweg. Denn es sind wohl vor allem die brutalen Methoden, welche Chinas Aufstieg zur politischen und wirtschaftlichen Weltmacht möglich gemacht haben. Es ist interessant zu lesen, wie euphorisch und naiv der Aufstieg Chinas seit Deng Xiaopings Ăffnungspolitik im Jahr 1978 erst vom Westen begrĂŒĂt wurde, sich dann aber immer mehr ErnĂŒchterung breit gemacht hat; was sich vor allem nochmal beschleunigt hat, seitdem Xi Jinping Partei und Staat offen diktatorisch regiert. NaĂ resĂŒmiert, dass die chinesische KP immer wieder einen erstaunlichen Pragmatismus und die FĂ€higkeit zur Kurskorrektur bewiesen habe, jedoch nicht, ohne zuvor tragische Irrwege beschritten zu haben. FĂŒr ihn befindet sich das Land derzeit wieder auf einem solchen Irrweg.
Wo ich mir unschlĂŒssig bin, ist seine EinschĂ€tzung zu chinesischen WeltmachtsansprĂŒchen und wie bedrohlich der chinesische Nationalismus fĂŒr uns und den Rest der Welt ist. NaĂ sieht das nicht sehr kritisch und betont, dass es China vor allem darum gehe, die eigene Region unangefochten zu dominieren. Ich persönlich bin mir allerdings nicht so sicher, ob wir uns im Rest der Welt nicht mittelfristig durch chinesische HerrschaftsansprĂŒche sehr bedroht fĂŒhlen sollten.
Klappentext:
Chinas Aufstieg zur Weltmacht ist unaufhaltsam. Lange erwartete man, dass sich das Land mit zunehmendem Wohlstand demokratisieren wĂŒrde. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Kommunistische Partei Chinas will sich mit allen Mitteln an der Macht halten. DafĂŒr werden Wirtschaft und Gesellschaft im eigenen Land auf Linie gebracht und ein weitreichendes Programm wurde entwickelt, mit dem China die westlichen Demokratien unterwandert und eine neue Weltordnung etablieren will. Dabei setzt es nicht nur seine Wirtschaftsmacht als Waffe ein, sondern die gesamte Bandbreite seiner Politik. Wie vielfĂ€ltig der chinesische Einfluss auch bei uns bereits ist, enthĂŒllen die beiden Autoren an zahlreichen Beispielen â ein AnstoĂ zu einer dringend notwendigen Debatte: Wie soll Deutschland, wie Europa mit der neuen Weltmacht China umgehen?
Thematisch knĂŒpft Die lautlose Eroberung direkt an das Thema des vorangegangenen Buches an. Beide BĂŒcher sind jedoch sehr unterschiedlich. Clive Hamilton und Mareike Ohlberg machen hier eine Tiefenbohrung in eine ganz spezielle Facette der chinesischen Macht- und Einflusspolitik. Es geht darum, wie dreist die chinesische KP den Westen in die Knie zwingt indem es seine Rolle als Medienweltmacht ausspielt. Hier geht es vor allem darum, auslĂ€ndische Politiker*innen, Wirtschaftsleute, Medienschaffende und Institutionen zu beeinflussen und abhĂ€ngig/gefĂŒgig zu machen. Und natĂŒrlich um die perfiden Strategien, wie die KP versucht, die Auslandschinesen hinter sich zu bringen. Was wichtig ist: Die Autor*innen unterscheiden ganz bewusst zwischen dem chinesischen Volk und der Partei, und stellen heraus dass man das nicht gleichsetzen kann.
Ich finde es unfassbar, in welcher Detailtreue und mit wie vielen unzĂ€hligen konkreten Beispielen belegt wird, wie sehr der Einfluss Chinas in vielen LĂ€ndern der Welt fest fuĂgefasst hat. Und zwar vor allem, weil Menschen mit Macht und Verantwortung in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft anfĂ€llig sind, durch Geld und Zuwendungen geködert werden und in diesem Zuge willfĂ€hrig mithelfen, chinesische Repression auch auĂerhalb der Grenzen Chinas zu ermöglichen und Propaganda verbreiten. Das Buch ist ein Muss fĂŒr all jene, die besorgt sind um die nationale Sicherheit und die IntegritĂ€t unserer Institutionen. FĂŒr mich ist die Forderung der Autor*innen, Medien, Politik und Wissenschaft sollten gemeinsam Widerstand leisten, indem sie auf Transparenz dringen, absolut nachvollziehbar und wichtig.
Klappentext:
Arbeit ist der Kern unserer modernen Gesellschaften. Doch warum ĂŒberlassen wir ihr einen so groĂen Teil unseres Lebens? Und warum arbeiten wir immer mehr, obwohl wir so viel produzieren wie noch nie? Entspricht das unserer Natur? Warum fĂŒhlen sich dann immer mehr Menschen ĂŒberlastet und ausgebrannt? Unsere Steinzeit-Vorfahren arbeiteten weit weniger als wir. Sie arbeiteten, um zu leben und lebten nicht, um zu arbeiten. Und dennoch waren sie relativ gesund und wurden Ă€lter als die meisten Menschen, die ihnen nachfolgten. Erst die Sesshaftwerdung des Menschen und die zunehmende Arbeitsteilung in immer gröĂer werdenden StĂ€dten schufen die Grundlage fĂŒr unser heutiges VerhĂ€ltnis zur Arbeit, zu unserer Umwelt und zu uns selbst. Doch was damals fĂŒr das Ăberleben notwendig war, ist es in unserer heutigen Ăberflussgesellschaft lĂ€ngst nicht ehr.
Sie nannten es Arbeit von James Suzman, einem Anthropologen, bietet einen wirklich interessanten und hilfreichen Blick auf die Geschichte "der Arbeit". Es macht mich nachdenklich, wenn Suzman hier tief reinbohrt, und dabei das Leben der JĂ€ger und Sammler, die nur 15 Stunden pro Woche auf die Nahrungssuche verwandten, und die moderne Arbeitswelt vergleichend betrachtet, und dabei die Effekte des Ackerbaus herausarbeitet. Im Hinblick auf eine menschlichere Gestaltung der Erwerbsarbeit bindet er Theorien zur Arbeit von Descartes und Maynard Keynes ein. Denn es ist doch schon schon immer eine unbequeme Frage fĂŒr die Wirtschaftswissenschaftler*innen gewesen, warum es einigen wenigen Reichen gelingt, so viele ihrer Launen zu befriedigen, bevor die Armen der Welt ein grundlegendes MaĂ an wirtschaftlicher Sicherheit erreichen. StandardmĂ€Ăig war und ist hierauf aber die Antwort, dass die einzige langfristige Lösung fĂŒr die weltweite Armut auf jeden Fall mehr Wirtschaftswachstum sei. Alternativ verweist Suzman auf VorschlĂ€ge wie die GewĂ€hrung eines allgemeinen Grundeinkommens, die Verlagerung des Schwerpunkts der Besteuerung von Einkommen auf Vermögen und die Ausweitung der Grundrechte, die wir Menschen und Unternehmen gewĂ€hren, auf Ăkosysteme, FlĂŒsse und wichtige LebensrĂ€ume. Leider liefert er keine Argumente dafĂŒr, wo WĂ€hlergruppen zu finden sind, die diese Politiken unterstĂŒtzen, oder wie Koalitionen, die auf sie hinarbeiten, aufgebaut werden könnten.
Impulse hierfĂŒr đ verspreche ich mir von einer beruflichen AktivitĂ€t an der ich gerade arbeiten darf. Ich bereite in meinem Job ein in KĂŒrze anstehendes, spannendes Podcast-Interview mit der Transformationsforscherin Maja Göpel vor.
Ausblick... was kommt als nÀchstes?
Im neuen Jahr stehen als erstes folgende BĂŒcher auf der Leseliste.
Klappentext:
Das AusmaĂ der digitalen Risiken ist noch nicht einmal annĂ€hernd klar geworden. Die modernen Monopolisten Apple, Amazon, Facebook oder Google verdienen Milliarden mit dem Verkauf unserer persönlichsten Daten. Ohne entsprechende AufklĂ€rung oder gar Gegenleistung verkaufen sie private Informationen, die auch zur Ăberwachung und Manipulation missbraucht werden. Mit der WorthĂŒlse Digitalisierung haben die Datenmonopolisten eine neue Superideologie erfunden, die alles rechtfertigt was sie tun. Der digitale Konsument wird zunehmend selbst zum Produkt und Instrument der Algorithmen. Die Managerin Marie-Luise Wolff weiĂ um die immensen Chancen der aktuellen Dynamik - umso mehr kritisiert sie die Entwicklung zu einer sinnlos durch-digitalisierten Wirtschaft und ent-analogisierten Gesellschaft.
Klappentext:
For generations, our remote ancestors have been cast as primitive and childlike - either free and equal, or thuggish and warlike. Civilization, we are told, could be achieved only by sacrificing those original freedoms or, alternatively, by taming our baser instincts. David Graeber and David Wengrow show how such theories first emerged in the eighteenth century as a reaction to indigenous critiques of European society, and why they are wrong. In doing so, they overturn our view of human history, including the origins of farming, property, cities, democracy, slavery and civilization itself. Drawing on path-breaking research in archaeology and anthropology, the authors show how history becomes a far more interesting place once we begin to see what's really there. If humans did not spend 95 per cent of their evolutionary past in tiny bands of hunter-gatherers, what were they doing all that time? If agriculture, and cities, did not mean a plunge into hierarchy and domination, then what kinds of social and economic organization did they lead to? The answers are often unexpected, and suggest that the course of history may be less set in stone, and more full of playful possibilities than we tend to assume. The Dawn of Everything fundamentally transforms our understanding of the human past and offers a path toward imagining new forms of freedom, new ways of organizing society. This is a monumental book of formidable intellectual range, animated by curiosity, moral vision and faith in the power of direct action.
Klappentext:
Von der Krise der Sozialdemokratie ist allerorten die Rede. Doch auch viele traditionsreiche Mitte-rechts-Parteien befinden sich im Niedergang oder zumindest in einer ZwickmĂŒhle: Sollen sie sich fĂŒr progressive urbane Milieus öffnen? Oder lieber ihr konservatives Profil schĂ€rfen? WĂ€hrend Angela Merkel fĂŒr das eine Modell steht, reprĂ€sentieren Politiker wie Donald Trump oder Sebastian Kurz das andere. Sie sind Vertreter eines radikalisierten Konservatismus. Natascha Strobl analysiert ihre rhetorischen und politischen Strategien. Sie zeigt, wie sie Ressentiments bedienen, um ihre AnhĂ€ngerschaft zu mobilisieren, oder eigene Narrative erschaffen, um »Message Control« auszuĂŒben und Kritik als Fake News abzutun. Statt inhaltlicher Auseinandersetzung suchen sie die Konfrontation. In ihren eigenen Parteien reduzieren sie die Demokratie, setzen auf kleine Beraterzirkel und Personalisierung. Dabei greifen sie, so Strobl, immer wieder auch auf die Methoden rechtsradikaler Bewegungen und Organisationen zurĂŒck.
Klappentext:
Do you feel like your life is an endless to-do list? Do you find yourself mindlessly scrolling through Instagram because you&;re too exhausted to pick up a book? Are you mired in debt, or feel like you work all the time, or feel pressure to take whatever gives you joy and turn it into a monetizable hustle? Welcome to burnout culture. While burnout may seem like the default setting for the modern era, in Can't Even, BuzzFeed culture writer and former academic Anne Helen Petersen argues that burnout is a definitional condition for the millennial generation, born out of distrust in the institutions that have failed us, the unrealistic expectations of the modern workplace, and a sharp uptick in anxiety and hopelessness exacerbated by the constant pressure to perform our lives online. The genesis for the book is Petersen&;s viral BuzzFeed article on the topic, which has amassed over seven million reads since its publication in January 2019. Can't Even goes beyond the original article, as Petersen examines how millennials have arrived at this point of burnout (think: unchecked capitalism and changing labor laws) and examines the phenomenon through a variety of lenses&;including how burnout affects the way we work, parent, and socialize, describing its resonance in alarming familiarity. Utilizing a combination of socio-historical framework, original interviews, and detailed analysis, Can't Even offers a galvanizing, intimate, and ultimately redemptive look at the lives of this much-maligned generation, and will be required reading for both millennials and the parents and employers trying to understand them.
Klappentext:
Schon NiccolĂČ Machiavelli, Friedrich Schiller, Richard Wagner, Friedrich Engels und Karl Marx haben die Probleme von populistischen Bewegungen nachgezeichnet. Kolja Möller nutzt die historischen Erkenntnisse fĂŒr eine Gegenwartsanalyse, die zeigt, wie der Populismus als Politikform funktioniert: Was ist unter "Populismus" zu verstehen? Wie schwankt der Appell ans Volk zwischen demokratischer und autoritĂ€rer Politik? In welchem VerhĂ€ltnis steht der Populismus zur Verfassungsordnung, und welche Kommunikationstechniken wenden rechtspopulistische Bewegungen heute an? Das Buch skizziert die Hoffnung, dass ein guter Aufstand, der sich an den WidersprĂŒchen unserer Zeit - wie Klimawandel und Globalisierung - orientiert, die autoritĂ€re Welle noch einholen könnte.
Was tat sich bei Podcasts?
Hier sind einige neue Podcasts, welche ich in den letzten Monaten lieb gewonnen habe und Euch empfehle:
Tech Won't Save Us â open.spotify.com
Silicon Valley has a solution for everything, but who do its ideas really serve? Every Thursday, Paris Marx is joined by a new guest to critically examine the tech industry, its thought leaders, and the worldview it spreads. They challenge the notion that tech alone can drive our world forward by showing that separating tech from politics has consequences for us all, especially the most vulnerable. But if tech won't save us, what will? This podcast isn't simply about tearing tech down; it also presents radical ideas for tech designed for human flourishing instead of surveillance, acquisitions, or to boost stock prices. A better world is possible, and so is better technology.
Warum denken Sie das? â open.spotify.com
Zwei Menschen sitzen sich gegenĂŒber. Beide sind in einer politischen Frage völlig anderer Meinung: beim Impfen, in der Frage, wie der Westen mit Russland umgehen sollte, oder ob Gendern mehr Gerechtigkeit bringt. Beide haben MĂŒhe zu begreifen, warum das GegenĂŒber solche Positionen vertritt. Dennoch versuchen sie in einem GesprĂ€ch zu verstehen, wie die andere Person zu ihren Ansichten kam. Das ist die Idee von âWarum denken Sie das?â Jana Simon und Philip Faigle treffen in jeder Folge zwei Menschen, die in einer Frage vollkommen unterschiedlich denken. Sie besuchen die GĂ€ste des Podcasts zu Hause, um zu erfahren, wie ihre Biographien ihr Denken geprĂ€gt haben und wie sie zu ihren Ansichten gelangt sind. AnschlieĂend begegnen sich die beiden Antagonisten im Studio zum ersten Mal und versuchen zu ergrĂŒnden, ob es nicht doch etwas gibt, was sie verbindet.
Wild Wild Web - Die Kim Dotcom Story â open.spotify.com
Kim Dotcom war Deutschlands berĂŒhmtester Computer-Nerd, dann der superreiche Betreiber der Plattform Megaupload und heute ein von der US-Justiz Gejagter. Die Bilder seiner Festnahme in Neuseeland gingen um die Welt. Muss Kim Dotcom fĂŒr den Rest seines Lebens ins GefĂ€ngnis? Und was hat sein Fall mit der Freiheit des Internets zu tun?
Future Histories â open.spotify.com
Der Podcast zur Erweiterung unserer Vorstellung von Zukunft.Â
Eine Reihe mit teils wirklich interessanten GesprĂ€chen zu Themen, welche unsere Zukunft maĂgeblich bestimmen. Von kybernetischer Regierung, ĂŒber Krypto-Ăkosysteme bis hin zu Algorithmisierung, Automatisierung und KI.
Getting Tech Right â open.spotify.com
Getting Tech Right is a series of interviews exploring issues around how technology shapes our society, and how to think about these issues better. Hosted by Peter Bihr.
Inside Cyber Diplomacy â open.spotify.com
A periodic look at how diplomacy and negotiation shape international cybersecurity.
Immer noch meine ganz festen Fixpunkte in der Woche sind diese beiden:
Piratensender Powerplay â open.spotify.com
Das GesprÀch am Ende der Woche. Mit Samira El Ouassil und Friedemann Karig.
Lauer und Wehner | Podcast on Spotify â open.spotify.com
âLauer & Wehnerâ, das sind der Publizist Christopher Lauer und der Strafverteidiger Dr. Ulrich Wehner. Wöchentlich sprechen sie ĂŒber die in ihren Augen wichtigsten Ereignisse in Deutschland und der Welt. Dabei konzentrieren sie sich darauf, zuerst die Fakten zusammen zu tragen und zu sortieren und erst danach ihre Meinung zum Sachverhalt kund zu tun. Genau diese Vorgehensweise ist ihnen sehr wichtig, denn viel zu oft werden Meinungen mit Fakten verwechselt und umgekehrt.
Laber-Podcasts:
Zu meinen Lieblings-"Laber-Podcasts" gehören mittlerweile, bzw. immer noch:
Baywatch Berlin (Klaas Heufer-Umlauf, Thomas Schmitt, Jakob Lundt)
Drinnies (Giulia Becker, Chris Sommer)
Talk ohne Gast (Till Reiners, Moritz Neumeier)
Aurels Alarma Pyjama (Aurel Mertz)
Juwelen im Morast der Langeweile (Micky Beisenherz, Oliver Polak)
Fest & Flauschig gehört nicht mehr so richtig dazu. Es ist fĂŒr mich nur noch schwer zu ertragen, wie sehr die RealitĂ€t an Olli Schulz vorbeigezogen ist und er intellektuell immer mehr Pech beim Bewerten aktueller Ereignisse und der Weltlage hat. Die Welt ist zu komplex, Olli ist zu unterkomplex... er hat aber leider immer noch den Drang, sich sehr meinungsstark zu Ă€uĂern. FĂŒr mich ein totaler Abtörner.
Gute News
Bugs across globe are evolving to eat plastic, study finds â www.theguardian.com
Eine ĂŒberraschende Entdeckung zeigt das AusmaĂ der Plastikverschmutzung und enthĂŒllt Enzyme, die das Recycling fördern könnten.
The 20 Fastest Growing Jobs in the Next Decade â www.visualcapitalist.com
Das U.S. Bureau of Labor Statistics geht von einem BeschĂ€ftigungswachstum von 7,7 % bis 2030 aus. Hier gibt es eine Ăbersicht ĂŒber die am schnellsten wachsenden Jobs und wie viel sie einbringen. Dabei gehörten Jobs in der Medizin und medizinischen Versorgung und Pflege zu den Gewinnern.
Was formt die Zukunft des Journalismus? â sz-innovation.github.io
Ein Trendreport fĂŒr die nĂ€chsten Jahreâââganz ohne Hype. FĂŒnf Entwicklungen und die dazugehörigen Begriffe, die das neue Jahr prĂ€gen werden â garantiert ohne Hypes. Zusammengetragen vom Innovationsbereich der SĂŒddeutschen Zeitung a.k.a. Dirk von Gehlen und Johannes Klingebiel.
The AI Revolution is Just Beginning â www.exponentialview.co
Bei kĂŒnstlicher Intelligenz ist es mittlerweile wirklich schwierig, auf dem Laufenden zu bleiben. Denn hier werden mittlerweile so hĂ€ufig groĂe SprĂŒnge nach vorn gemacht, dass es schwierig ist, eine bahnbrechende Entwicklung zu verstehen, bevor die nĂ€chste schon um die Ecke biegt.
A decade into the artificial intelligence boom, scientists in research and industry are making incredible breakthroughs. Increases in computing power, theoretical advances and a rolling wave of capital have revolutionised domains from biology and design to transport and language analysis.
A lot of the progress in AI can be traced to two linked phenomena. One can be encapsulated by the idea of the âunreasonable effectiveness of data,â which originated from a famous paper published by AI researchers at Google back in 2009. Hereâs how Murray describes it, using the example of image-recognition software that's not working as well as expected:
[I]t really doesn't work very well. So you think, OK, let's scale up⊠so you double the amount of data you've got, and you double the amount of compute and it's still [terrible]... time goes by and even more data becomes available, even more compute becomes available, and suddenly, everything seems to work. Suddenly things take off and work amazingly well. And that's what happened in 2012.
The second breakthrough was in hardware, and underpinned that data tsunami: the repurposing of graphical processing units â computer chips initially designed to render graphics more quickly â to do rapid numerical computation:
[I]t's a sort of hack. It's repurposing of a technology that was meant for something completely different.
Launching the 7th annual State of European Tech Report â atomico.com
Gute News fĂŒr Europa: Die Renditen europĂ€ischer Risikokapitalinvestitionen haben in den letzten zwei Jahrzehnten in jedem Zeitraum die Renditen Ă€hnlicher Investitionen in den USA ĂŒbertroffen. Die Gesamtinvestitionen in europĂ€isches Risikokapital werden in diesem Jahr voraussichtlich 120 Mrd. USD ĂŒbersteigen. Die Gesamtsumme fĂŒr 2018, 2019 und 2020 liegt bei 106 Mrd. USD. Ein Indikator fĂŒr die Reifung des Ăkosystems und seine zunehmende Tiefe ist die deutliche Zunahme von SpĂ€tphasenfinanzierungen europĂ€ischer Unternehmen. Dies bedeutet, dass sie weniger hĂ€ufig in die USA ausweichen mĂŒssen als in frĂŒheren Jahren. Aus dem Bericht ĂŒber den Stand des europĂ€ischen Risikokapitals geht auch hervor, dass 2 926 Institutionen im Jahr 2021 an mindestens einer europĂ€ischen Technologiefinanzierung beteiligt waren. Dies ist ein Anstieg gegenĂŒber 2.044 vor zwei Jahren.
Die guten Tweets
Das BedĂŒrfnis, viele Tabs gleichzeitig geöffnet zu haben, gab es wohl schon vor vielen Generationen:
Im sehr lesenswerten Buch "Was das Valley Denken nennt", von Adrian Daub (vorgestellt in meiner Mid-Year Ausgabe mit Buchempfehlungen) wird der Silicon Valley Mythos des "Uni-Abrechers" als Garant fĂŒr erfolgreiches Entrepreneurship aus intellektueller Sicht auseinander genommen. Die reinen Zahlen sprechen auch eine ganz andere Sprache. Wer also erfolgreiche*r Unternehmer*in werden möchte... schön auf der Uni bleiben bis zum Schluss!
So ein knappes Statement. So wahr!
Der ganze Rest
Hier möchte ich nochmal eingehen auf das Thema, welches mir am allermeisten am Herzen liegt. Unsere freiheitliche Demokratie - und ihre Bedrohung. Und damit meine ich nicht die verschwurbelten AuswĂŒchse des Begriffs "Freiheit" mit dem sich gerade einige Leute in meinen Augen komplett verrennen, wĂ€hrend die meisten Menschen die Corona-Pandemie zum GlĂŒck entschlossen bekĂ€mpfen und hinter sich lassen wollen. Sondern es geht um unsere wahrhaftige Demokratie und das grundsĂ€tzliche Privileg, als freie Menschen leben zu dĂŒrfen. Im Gegensatz zu Menschen, die in autokratischen Staaten leben (mĂŒssen).
Um die Demokratie in der Welt ist es nicht gut bestellt. Die demokratische RegierungsfĂŒhrung ist in weiten Teilen der Welt auf dem RĂŒckzug. Wie es aussieht, wird unsere Zukunft durch das Aufeinandertreffen von demokratischen und autokratischen KrĂ€ften innerhalb und auĂerhalb unserer Landesgrenzen geprĂ€gt sein. Wenn aber wir, und all die BefĂŒrworter*innen der Demokratien den RĂŒckzug der Demokratie nicht aufhalten können, dann könnten unsere Freiheit und vor allem unsere bĂŒrgerlichen Freiheiten auch irgendwann folgen.
Die Datenlage sieht nicht gut aus: In ihrem Bericht fĂŒr das Jahr 2021 kam die gemeinnĂŒtzige Organisation Freedom House zu dem Schluss, dass sich die Welt in einer "langen demokratischen Rezession" befindet, wobei sich die Demokratie in nur 28 LĂ€ndern verbessert und in 73 LĂ€ndern verschlechtert hat - die gröĂte LĂŒcke der letzten 15 Jahre. Ein kĂŒrzlich veröffentlichter Bericht der europĂ€ischen Denkfabrik International IDEA stellt fest, dass sich die Zahl der "rĂŒcklĂ€ufigen Demokratien" in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat und dass die Zahl der LĂ€nder, die sich seit 2020 in eine autoritĂ€re Richtung bewegen, die Zahl der LĂ€nder ĂŒbersteigt, die sich in eine demokratische Richtung bewegen. Daten der schwedischen Non-Profit-Organisation V-Dem ergaben, dass hierbei die USA und ihre VerbĂŒndeten fĂŒr einen ĂŒbergroĂen Anteil des weltweiten demokratischen RĂŒckschritts in den letzten zehn Jahren verantwortlich waren. Auch die amerikanische Demokratie selbst ist wohl in Gefahr - International IDEA hat die USA auf seine Liste der "rĂŒcklĂ€ufigen Demokratien" gesetzt, weil dort immer mehr Gesetze verabschiedet werden, die das Wahlrecht erschweren, und weil Parteifreunde in SchlĂŒsselpositionen eingesetzt wurden. Eine kĂŒrzlich durchgefĂŒhrte Studie des Pew Research Center ergab, dass nur 17 % der Menschen in den befragten LĂ€ndern die amerikanische Demokratie fĂŒr nachahmenswert halten, und 23 % sagten, sie sei noch nie ein gutes Beispiel gewesen.
Was richtig, richtig kritisch ist: Der Niedergang der Demokratie ist fĂŒr mich zum Teil auf die Pandemie zurĂŒckzufĂŒhren, da die Regierungen zur BekĂ€mpfung des Virus MaĂnahmen ergreifen, die bĂŒrgerliche Freiheiten wie die FreizĂŒgigkeit einschrĂ€nken, und die BĂŒrger*innen frustriert sind, dass diese MaĂnahmen noch nicht zu einem Ende von COVID-19 gefĂŒhrt haben. In dem MaĂe, in dem die Einkommensungleichheit und das allgemeine GefĂŒhl der Unsicherheit zunehmen, scheinen manche Menschen damit zu liebĂ€ugeln, das Leben in einer illiberalen Demokratie den KomplexitĂ€ten eines Lebens in einer vollstĂ€ndigen Demokratie vorzuziehen. Deshalb ist es so ungeheuer wichtig, dass die demokratischen Staatenlenker*innen beweisen, dass unsere Regierungen immer noch funktionieren - und dass wir etwas fĂŒr unsere BĂŒrger*innen tun können und das bessere Modell darstellen. Wir mĂŒssen besonders auf der Hut sein vor autoritĂ€ren LĂ€ndern und Regimen (wie z.B. China oder Russland), welche die MissstĂ€nde in unseren Demokratien ausnutzen wollen, um ihre eigenen Systeme zu fördern und besser dastehen zu lassen.
Was ist also besonders wichtig? Das wir als Menschen und BĂŒrger*innen informations- und medienkompetent sind. Damit wir den bösartigen VerfĂŒhrer*innen nicht auf den Leim gehen. Medienkompetenz war nie wichtiger als heute, wo wir mit immer mehr und auch immer perfider lancierter Desinformation und Propaganda ĂŒberflutet werden. Aber so ausgeklĂŒgelt muss Desinformation gar nicht sein. Die Möglichkeit, die eigene Dummheit wirksam unter die Leute zu bringen, ist in den letzten Jahren exponentiell gestiegen. Und es gibt viele naive Abnehmer*innen.
Medienkompetenzvermittlung gehört in die Schulen - und auch alle Eltern, die sich auskennen, sollten diese Skills von Anfang an ihren Kindern beibringen. Aber Schule ist die eine Sache. Was ist jedoch mit der Medienkompetenz von Heinz, Mitte 60? Sollen wir einfach abwarten, bis alle gestorben sind, die einen Parteiblog nicht von KenFM und nicht von Journalismus unterscheiden können? Wohl nicht. Wenn Bundesregierung, die LĂ€nder und auch die Medien selbst irgendwann nach Corona mal wieder geradeausschauen und -denken können, braucht es dringend Strategien und Konzepte, wie wir im Bereich Erwachsenenbildung und bei reichweitenstarken Kampagnen das Thema Medien- und Digitalkompetenz (eigentlich lĂ€sst sich das gar nicht mehr trennen) mit groĂer Wucht in die Breite der Bevölkerung bekommen. Kompetente und aufgeklĂ€rter Menschen sind der beste Schutz vor den Versuchen, unsere Demokratie auszuhöhlen.
Deshalb gibt es auch die letzte Leseempfehlung des Jahres zu diesem Thema. PrÀdikat "sehr wertvoll":
What if Media Covered the War on Democracy Like an Actual War? â www.motherjones.com Letâs treat this like the hair-on-fire moment that it is.
đđđ Macht es gut und kommt gut ins neue Jahr. đđđ