Hallo zusammen! Willkommen zur aktuellen Ausgabe von #DRANBLEIBEN. Eine Sonderausgabe. Bevor es wieder eine große Version mit Artikel- und sonstigen Empfehlungen gibt, hier schonmal meine Highlights von der gerade stattgefundenen re:publica. Europas größter Konferenz für die digitale Gesellschaft. Mit dem größten Programm ever (über 800 Programmbeiträge). Und das meiste davon ist verfügbar im re:publica Youtube Channel. Für euch habe ich heute eine Auswahl an Sessions, die ich euch ans Herz lege. Viel Spaß damit!
⊗ Nachrichtenmüdigkeit - tatsächlich? ⊗ Desinformation - wovon wirklich angetrieben? ⊗ digitaler Pessimsmus im globalen Norden - Inspirationshilfe aus dem Süden? ⊗ “Aufmerksamkeitscrash” - welche Wege führen daraus? ⊗ gesellschaftliche Spaltung - sind wir wirklich so? ⊗ digitaler Kolonialismus von Big Tech - mit kollektivem Handeln und Vorstellungskraft zurückdrängen ⊗ menschenzentrierte “KI” - am besten gestaltet im gesellschaftlichen Dialog ⊗
Meine re:publica Session Empfehlungen
Esra Karakaya hat für meine Begriffe den erfrischendsten und besten Talk der Konferenz abgeliefert. Sie ist preisgekrönte Journalistin und Gründerin von Karkaya Talks, wo sie News und Talkshows für Millennials und Gen Zs of Color produziert. In ihrem Talk sucht sie nach Wegen für eine zeitgemäße Mediengerechtigkeit: Wo werden welche Communities wirklich erreicht? Wie lassen sich diverse Menschen ins Gespräch und ins Blickfeld bringen? Lassen sich nachrichtenmüde Menschen wachrütteln? Und vor allem: Wer ist hier eigentlich müde?
Sie liefert ab auf eine so coole und andere Art und Weise als man es sonst kennt. Ihr Appell: dass wir nicht davon ausgehen sollten, dass Menschen nachrichtenmüde sind, sondern dass sie müde davon sind, wie unzeitgemäß und nicht vielfältig Nachrichten dargeboten werden.
Jeanette Hofmann ist Politikwissenschaftlerin und Digitalisierungsforscherin. Am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung leitet sie die Forschungsgruppe 'Politik der Digitalisierung'. In diesem sehr kurzweiligen Beitrag macht sie einen wachrüttelnden Punkt: Die gefährliche Desinformation welche uns mittlerweile jeden Tag begegnet, sei nicht ausgelöst und angetrieben durch Algorithmen und digitale Plattformen, sondern durch sehr bewusst handelnde Akteure aus der Politik und klassischen Medienformen, welche die Erosion unserer Demokratie zum Ziel hätten.
Die Forscherin und Digital-Anthropologin Payal Arora ruft dazu auf, sich vom Globalen Süden bei der Entwicklung neuer digitaler Systeme inspirieren zu lassen. Sie weist darauf hin, dass im globalen Norden Mainstream-Medien oftmals erklären, KI werde die Demokratie, die Kreativität und unsere sozialen Beziehungen zerstören. Algorithmen seien darauf ausgelegt, zu unterdrücken und zu kontrollieren. Im Gegensatz zu dieser Annahme sei außerhalb des Westens, wo die Mehrheit der Jugend auf der Welt lebt, einen ansteckenden Optimismus gegenüber allem Digitalen. Insbesondere in marginalisierten Kontexten sei die Generation Z voller Hoffnung auf neue Technologien. Ich finde diesen Gedankenanstoß sehr wertvoll - alles, was uns anstupst, den Kopf nach oben zu nehmen und Impulse für Optimismus wahrzunehmen, begrüße ich außerordentlich.
Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen, ist ein re:publica Stammgast und für mich immer ein must-see der Konferenz. In diesem Beitrag fokussiert er darauf, dass unsere öffentliche Aufmerksamkeit - im Angesicht der aktuellen Gegenwartskrisen wie Artensterben, Klimawandel, Pandemien, der Aufstieg des Populismus, usw. – in der falschen Zeitsphäre feststecke. Er sagt, wir reagieren im Modus der Kurzfristigkeit auf Gefahren, die den Modus der Langfristigkeit erfordern. Und eben dieses paradoxe Phänomen – je dramatischer die Langzeitbedrohungen, desto hektischer, getriebener, populistischer und zukunftsvergessener scheinen die medialen Debatten – benennt er mit dem Begriff Aufmerksamkeitscrash. Und lädt dazu ein, darüber nachzudenken, wie wir den “Kult der Kurzfristigkeit” durch andere, konträre Anreize, die das Denken in Richtung sehr viel längerer Zeiträume ausrichten, kontern können.
Wow, ein super pointierter und wichtiger Vortrag von Steffen Mau, Professor für Makrosoziologie an der Humboldt Universität zu Berlin. Er untersucht, welche gesellschaftlichen Auseinandersetzungen das Potenzial haben, zu "Triggerpunkten" zu werden und ob unsere Gesellschaft am Ende wirklich so unüberwindbar gespalten ist, wie wir derzeit den Eindruck haben. Sind die verschiedenen Einstellungen zu bedeutenden Themen wirklich so unvereinbar, oder wird eine angebliche Spaltung unserer Gesellschaft eher herbeigeredet? Mau führt aus, dass wir einerseits nicht so tief polarisiert sind, wie wir denken. Denn bei vielen großen Fragen herrsche einigermaßen Konsens. Die meisten Personen hätten mehr gemeinsam, als oft behauptet wird, und extreme Positionen stellten eher die Ausnahme dar. Andererseits verschärfe sich schlagartig die Debatte, wenn bestimmte Reizthemen ins Spiel kommen: „Gleichstellung ja, aber bitte keine Gendersprache! Umweltschutz ja, aber wer trägt die Kosten?“ Diese „Triggerpunkte“ können polarisieren und zu einem verzerrten Bild führen. Das hier sind sehr kurzweilige 30 Minuten zu einem gewichtigen gesellschaftlichen Thema.
Nick Couldry ist Soziologe für Medien und Kultur, und Professor für Medienkommunikation und Gesellschaftstheorie an der London School of Economics and Political Science. Ulises A. Mejias ist Professor für Kommunikationswissenschaften. In dieser Session stellen die beiden ihr neues Buch „Data Grab“ vor. Darin vertreten die beiden die These, dass die Ausbeutungspraktiken der heutigen Tech-Giganten eine neue Stufe des Kolonialismus darstellten. Sie argumentieren, dass die heutigen Technologiekonzerne eine extraktive Form des Wirtschaftens entwickelt haben, die eine ungerechte soziale und wirtschaftliche Ordnung schafft, zu prekären Arbeitsplätzen führt und die Umwelt schädigt. Sie erörtern auch, wie diesem “Datenkolonialismus” durch kollektives Handeln und neue Akte der Vorstellungskraft Widerstand geleistet werden kann. Auch wenn ich ihre Beobachtungen teile und zutiefst verurteile, welche Unternehmen und in ihnen handelnden Akteur*innen unsere (digitale) Zukunft auf diese Weise gestalten, so sehr hadere ich aber mit der Nutzung des Begriffs “Kolonialismus” in diesem Kontext.
Und last, not least hier natürlich noch der Beitrag, den ich selbst mitgestaltet habe. In diesem Jahr bin ich besonders stolz und froh, dass die Deutsche Telekom aus eher klassischen Formaten ausgebrochen ist. Wir haben hier ein tolles und diverses Team aus dem Artificial Intelligence Competence Center der Telekom in die Interaktion mit dem Publikum geschickt. Mit dabei: meine lieben Kolleg*innen Tatjana Wittig, Michelle Castañeda, Hamed Ketabdar und Arun Joseph. Sie führen einen Dialog mit dem Publikum über die Voraussetzungen für menschenzentrierte “KI”. Und dabei gab es auch noch eine Live-Schalte zum parallel stattgefundenen Human-centered Technology Barcamp in Bonn. Das war cool 😎💯
Was in Social Media los war…
Dieses nervige Klima:
Ahnung:
Tschö, tschö! Bis zum nächsten Mal…. ganz bald! Und ganz wichtig heute - am 9. Juni: